Klostergründungen, Bauplätze und Gründungsklöster bei den Zisterziensern

Klostergründungen, Bauplätze und Gründungsklöster bei den Zisterziensern

Organisatoren
Brandenburgisches Landesamt für Denkmalpflege und Archäologisches Landesmuseum; Kloster Chorin
Ort
Chorin
Land
Deutschland
Fand statt
In Präsenz
Vom - Bis
08.09.2023 - 09.09.2023
Von
Christin Herrmann, Inventarisation, Brandenburgisches Landesamt für Denkmalpflege und Archäologisches Landesmuseum

Bei der Betrachtung der in Deutschland und im europäischen Raum zahlreich vorhandenen Zisterzienserklöster stößt man in ihren Gründungsgeschichten viel häufiger auf die Verlegung von Standorten als sich zunächst vermuten lässt. Eine dieser bedeutenden Translationen trug sich im Jahre 1273 zu: Vermutlich aufgrund des Mangels an fließendem Wasser zog das Kloster Mariensee mit Zustimmung der brandenburgischen Markgrafen vom Pehlitzwerder, einer Insel im Parsteiner See, an den nahegelegenen Chorinsee. Die 750. Wiederkehr dieses Datums nahmen das Kloster Chorin und das Brandenburgische Landesamt für Denkmalpflege und Archäologische Landesmuseum (BLDAM) zum Anlass, die Gründungsphasen von Zisterzienserklöstern im Rahmen einer wissenschaftlichen Tagung näher zu beleuchten. Am 8. und 9. September fand sich im Kloster Chorin eine Gruppe aus nationalen und internationalen Referenten zusammen, die dem Fachpublikum das breitgefächerte Themenfeld in Einzelvorträgen vermittelte.

In der Anfangszeit entsprachen die Gründungsanlagen vielfach noch nicht den „typischen“ zisterziensischen Klosteranlagen. MATTHIAS UNTERMANN (Heidelberg) berichtete, dass sich Konvente ebenfalls auf Burgen ansiedelten und oftmals erst später an einen anderen Ort verlegt wurden. Klostergründungen im Mittelalter folgten einer bestimmten Idee, weshalb die ausgewählten Bauplätze nicht immer (bau)ökonomisch geeignet waren. Vielmehr suchte man sich bewusst Herausforderungen und maß deren Überwindung eine große Bedeutung zu. EMILIA JAMROZIAK (Leeds) griff diesen Aspekt auf und unterstrich nachdrücklich, dass die umfassende Betrachtung der zeitgenössischen Anschauungen, die hinter den Gründungen stehen, von enormer Wichtigkeit ist. So bildeten bei den Gründungsprozessen polnischer Zisterzienserklöster spirituelle Motive den Kern des Gründungsgedankens; politischen und wirtschaftlichen Aspekten kam eine nachgeordnete Rolle zu. Von wesentlicher Bedeutung waren für die Stifter hingegen die Familienmemoria und das soziale Prestige.

Um die Gründungsgeschichten einzelner Klöster zu recherchieren, eignen sich insbesondere Fundationsberichte, wusste SIMON SOSNITZA (Michaelstein; vertreten durch Franziska Siedler) zu berichten. Äußerst anschaulich wurde das an den Klöstern Loccum (Niedersachsen) und Michaelstein (Sachsen-Anhalt) aufgezeigt. FRANZISKA SIEDLER vertiefte dieses Thema, indem sie die in diesen Berichten oftmals enthaltenen Gründungsmythen hervorhob. Beide Vortragenden kamen zu dem Schluss, dass die meisten Berichte und Legenden erst mit deutlichem Abstand zur Gründungsphase aus einer bestimmten Motivation heraus entstanden. Gründungslegenden gaben dem Kloster Ansehen, rechtfertigten die nicht den Ordensidealen entsprechenden Standorte, erklärten Namen oder dienten der Initiierung von Wallfahrten. JENS FRIEDHOFF (Hachenburg) bestätigte dieses Vorgehen am Beispiel der Abtei Marienstatt (Rheinland-Pfalz). Hier wurde die diffizile Gründungsphase, die von territorialpolitischen Konflikten geprägt war, durch eine Legende verschleiert, die den letztendlichen Bauplatz ordenskonform begründete.

Obwohl die Translation von Klöstern an einen anderen Standort die Ausnahme sein sollte, geht CHRISTIAN GAHLBECK (Berlin) davon aus, dass etwa ein Drittel aller Klöster verlegt wurde. Bei der Vorstellung von Beispielen aus Brandenburg, der Lausitz und Polen (z. B. Pelplin, Blesen, Mogiła, Marienwalde, Himmelstädt) wurde zudem aufgezeigt, dass es eine Diskrepanz zwischen den in den Quellen genannten und den eigentlichen, häufig multikausalen Gründen für Standortverlegungen gibt. Mit zwei besonders interessanten Fällen von Klostertranslationen in Hessen wartete DIETER WOLF auf. Das zunächst am Standort der Arnsburg (gelegen in der nördlichen Wetterau auf dem Hainfeld) gegründete Kloster wurde später in ein Tal in unmittelbarer Nähe verlegt. Am ursprünglichen Gründungsplatz verblieb jedoch die Wallfahrtskirche, die den Pilgerstrom vom eigentlichen Kloster fernhalten sollte, um so dem Wunsch der Mönche nach Abgeschiedenheit gerecht werden zu können. Die Gründung des Kloster Haina scheiterte insgesamt dreimal. Aufgrund scheinbar unüberwindbarer Unstimmigkeiten zwischen den Zisterziensern und den Stiftern war eine Klostergründung am geplanten Standort der Aulesburg erst beim vierten Versuch erfolgreich. Es dauerte jedoch nicht lang, da verlegten die Mönche ihr Kloster in das benachbarte Haina, da dieses bessere Standortvoraussetzungen bot.

Als ein erlebbares Beispiel für die beeindruckende Baukunst und -tätigkeit der Zisterzienser diente der Veranstaltungsort selbst. MARCUS CANTE (Wünsdorf) führte das Publikum näher in die bewegte Baugeschichte ein. Kloster Chorin entstand in einem Zeitraum von nur gut 30 Jahren – darin inbegriffen mehrere Bauetappen, die eventuell auch parallel zueinander verliefen, sowie vorgenommene Modifizierungen. Erste bauliche Aktivitäten am neuen Kirchenbau fanden im Osten statt. Nachdem die zu einer Vorgängersiedlung gehörende Dorfkirche abgebrochen worden war, konnte mit dem Westflügel der Bau der Klausur vollendet werden. Spezifische bauliche Merkmale, wie zum Beispiel die zweigeschossigen Querhauskapellen und Einzelheiten in der Dekoration, zeigen eindrucksvoll, dass sich die Gestaltung sehr eng am Mutterkloster Lehnin orientiert. Die Umsetzung zahlreicher Formen des Hausteinbaus in Backstein tragen unter anderem zu der besonderen Stellung bei, die Chorin innerhalb der Architekturgeschichte einnimmt. Im Rahmen einer Führung durch das Kloster, die den Schwerpunkt auf den Baubestand und die archäologischen Untersuchungen legte, konnten die Teilnehmer diese herausragende Klosteranlage genauer in Augenschein nehmen.

Neue Erkenntnisse zum Kloster Chorin brachten die von CORNELIUS MEYER (Berlin) durchgeführten geophysikalischen Prospektionsarbeiten. Nachdem bereits 2005 erste Hinweise auf einen unter dem heutigen Friedhof und dem Ostteil der Klosterkirche liegenden Herrensitz zutage gefördert wurden, stieß man 2018 auf eine große runde Ausbruchsgrube unmittelbar nordöstlich des Chors. Die daraufhin im Jahr 2021 stattgefundenen geoelektrischen Untersuchungen gaben zwar Anhaltspunkte zur Ausdehnung der Grube, lieferten jedoch kein klares Bild.

Zur Deutung dieses archäologischen Befundes äußerte sich CHRISTOF KRAUSKOPF (Wünsdorf). Aus verschiedenen geophysikalischen sowie archäologisch ermittelten Indizien lässt sich die Vermutung ableiten, dass die runde Ausbruchsgrube von einem ehemaligen Burgturm stammt. Da Mauerwerksreste jedoch nur in sehr begrenztem Umfang auftraten und bislang nur oberflächennah freigelegt werden konnten, ist eine weitere Ausgrabung geplant. Bereits ermittelt werden konnte hingegen der beachtliche Durchmesser von vermutlich über 16 m, der darauf hindeutet, dass es sich um eine Burg der Markgrafen handelte. Burgtürme mit derartigen Ausmaßen entstanden für Hochadelsfamilien in ganz Europa, unter anderem auch für die Askanier (in Anhalt und Aschersleben).

Mit der Vorstellung weiterer archäologischer und geophysikalischer Untersuchungen richtete THOMAS WESTPHALEN (Dresden) den Blick von Brandenburg nach Sachsen. Die detaillierte Betrachtung der Klöster Buch und Grünhain bestätigte, dass sich die Zisterzienser mit der Wahl des Bauplatzes auch hier besonderer Herausforderungen stellten. Während der Standort in Buch stark hochwassergefährdet war, bedurfte es beim Kloster Grünhain aufgrund seiner Hanglage tiefer Wasserschutzgräben. MARKUS BLAICH (Hannover) und CLEMENS LUDWIG (Hannover) stellten die neuestens Forschungserkenntnisse der bereits seit einigen Jahren andauernden Untersuchungen zur Zisterzienserabtei Walkenried (Niedersachsen) und ihren frühen Bauten vor. Von besonderem Interesse waren die auf dem Flurstück „Altes Kloster“ (später Grangie) nachgewiesenen Gebäude, die möglicherweise den ersten Klosterstandort markieren. Weiteren Erkenntniszuwachs sollen eine universitäre Abschlussarbeit (Master) und eine Dissertationsschrift liefern, die sich derzeit in der Erarbeitung befinden.

Die Tagung im Kloster Chorin bestand aus einem belebenden Wechsel aus Vorträgen und Diskussionen und schloss mit einer anschaulichen Führung durch die Anlage ab. Die Beiträge zu den diversen Themen rund um Zisterzienserklöster regten zu einem lebhaften Austausch an, zeigten aber auch realistisch die Grenzen der Forschung auf. Die Anlässe und Abläufe von Klostergründungen wurden unter anderem unter den spezifischen Aspekten des Wunsches nach Abgeschiedenheit, des Umgangs mit etwaiger Vorgängerbebauung sowie den multidimensionalen Gründen, Klöster zu stiften, beleuchtet. Die Vortragenden waren sich einig, dass in der Regel ein Geflecht von spirituellen, politischen sowie wirtschaftlichen Motiven die Gründungsabsichten ebenso wie die Standortwahl beeinflussten. Dabei wurden durchaus Herausforderungen gesucht. Die Vorstellung unterschiedlicher Beispiele aus verschiedenen Regionen zeigte eindrucksvoll Gemeinsamkeiten beim Gründungsprozess auf und kristallisierte besondere Einzelfälle heraus. Die Tagung bot den Experten einen geeigneten Anlass, um Untersuchungsergebnisse zu präsentieren, sich untereinander auszutauschen sowie weitere Ansätze für zukünftige Forschungsarbeiten mit auf den Weg zu nehmen. Dem breit gefächerten Publikum wurde aufgezeigt, von welch enormer Wichtigkeit die kontinuierliche Forschung und stetige Entwicklung der Untersuchungsmethoden ist, um Erkenntniszuwachs zu generieren und die umfassenden Vorgänge von Klostergründungen sowie die Entwicklung und das Fortbestehen von Klöstern besser zu verstehen.

Konferenzübersicht:

Allgemeines

Franz Schopper: Begrüßung

Matthias Untermann: Klostergründungen, Bauplätze und Gründungsklöster

Emilia Jamroziak: Zisterziensische Klostergründungen im 12. und 13. Jahrhundert und die Motive ihrer Stifter in Polen

Simon Sosnitza: Fundationsberichte aus Zisterzienserklöstern – historische Quellen zur frühen Gründungsgeschichte am Beispiel von Loccum und Michaelstein

Franziska Siedler: „Es sollte eine Burg Gottes, ein Kloster werden.“ Die Hirsch-Legende von Lehnin und Gründungsmythen bei den Zisterziensern

Christian Gahlbeck: Klostertranslationen als Bestandteil des Gründungsvorgangs bei den Zisterziensern und ihre Ursachen

Neues zum Kloster Mariensee/Chorin

Blandine Wittkopp: Im Gründungszustand aufgegeben – neue Ansätze zur Interpretation der frühen Bauten des Klosters Mariensee (entfallen)

Marcus Cante: Was stand zuerst? Die frühen Bauphasen des Klosters Chorin und die besondere architektonische Ausstattung des askanischen Hausklosters

Blandine Wittkopp: Zur Archäologie des Klosters Chorin – die Vorgängerbauten (entfallen)

Cornelius Meyer, Wioleta Hypiak: Geophysikalische Untersuchungen im Kloster Chorin

Christof Krauskopf: Der Burgturm von Chorin und seine Stellung im europäischen Burgenbau

Zisterziensische Klostergründungen und Burgen

Joachim Stüben: Auf der Burg gewohnt – die Gründung des Zisterzienserinnenklosters Uetersen. Ein historisch belegter Fall (entfallen)

Jens Friedhoff: Burg und Kloster eine problematische Nachbarschaft? Abtei Marienstatt und der Burgenbau im geographischen Umfeld rheinischer Zisterzienserklöster

Bauplätze und frühe Gründungsbauten der Zisterzienser im Spiegel archäologischer Untersuchungen

Thomas Westphalen: Die Klöster Grünhain, Altzelle und Buch, archäologische und geophysikalische Untersuchungen zur Vorbesiedlung und zu den Gründungsklöstern

Dieter Wolf: Die Klöster Altenburg / Arnsburg und Aulesburg / Haina – Bauplätze und Standorte der frühen Zisterzen in Hessen im Spiegel der archäologischen und historischen Forschungen

Markus Blaich, Clemens Ludwig: Das Gründungskloster – Die frühen Klosterbauten und Standorte des Klosters Walkenried im Weichbild der alten Reichsburg „Sachsenstein“

Pater Kilian, Neuzelle (Videobeitrag): Zur Neugründung des Klosters Neuzelle in Brandenburg – Motive und Planungen der aktuellen Klostergründung